Ich war an diesem Morgen schon viel zu früh aufgestanden und wusste nichts mit meiner Zeit an zu fangen. Shoppen konnte man so früh vergessen, da alle Läden noch geschlossen waren, neue Auftritte in Clubs oder auf Festivals standen auch erst mal nicht an und wenn dann würden die sowieso eher Abends stattfinden. Also hatte ich mir meine Gitarre geschnappt und mich in den Park begeben. So konnte ich wenigstens etwas frische Luft schnappen. Seufzend lief ich den Weg entlang und ließ mich etwas später auf der grünen Wiese im Schneidersitz nieder. Meine Gitarre packte ich auch direkt aus, platzierte sie auf meinem Schoß und begann einfach ein paar Töne zu spielen.

Da ich ohne jegliche Beirrung stur nach vorne schaute, bekam ich auch nicht mit, dass ich beobachtet wurde. Wenn ich Gitarre spielte oder sang, nahm ich sowieso nichts anderes wahr. Ich stoppte dann kurz, holte ein kleines Buch aus meiner Tasche und legte es vor mir auf den Boden nachdem ich auf eine bestimmte Seite umgeblättert hatte. Völlig konzentriert versuchte ich die richtige Melodie für den Songtext den ich aufgeschlagen hatte, zu finden. Das war gar nicht so einfach, wie man vielleicht oft dachte. Den Text hatte ich schon vor Tagen fertig geschrieben, was mir merkwürdiger Weise ziemlich leicht fiel.

Ich erschrak leicht als mich plötzlich jemand von der Seite anquatschte. Sowas konnte ich eigentlich nicht leiden, wenn ich gerade höchst konzentriert war, aber mit sowas musste man wohl rechnen, wenn amn draußen war. Trotzdem konnte ich mir nicht helfen, irgendwo her kannte ich diese Stimme. Mit leicht zu gekniffenen Augen, da die Sonne etwas blendete, sah ich zu ihm und überlegte woher mir dieses Gesicht so bekannt vor kam. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Klar, kannte ich ihn. Er hatte sich zwar ziemlich verändert, aber dieses Gesicht würde ich wohl überall wieder erkennen.
"Wow, Joe. Wirklich? Dass du überhaupt den Mut hast mich an zu sprechen.."
Schon komisch, wie wütend ich immernoch nach all den jahren auf ihn war. Aber was er damals abgezogen hatte, würde ich ihm wohl nie verzeihen. Er schien mich ja nicht mal zu erkennen. Tja, um ehrlich zu sein wunderte mich das nicht mal groß.

Wow, diese Dreistheit war wirklich unglaublich. So unglaublich, dass ich es wirklich nicht glauben konnte. Jetzt wusste er schon wer ich war und fragte mich noch ganz unverfrohren wie es mir ging? Als ob ausgerechnet ihn das interessierte.
"Ich glaube für diese Frage kommst du ein paar Jahre zu spät. Also was willst du? Ich will dich nicht sehen."
Meinte ich ehrlich und sah ihn ernst an. Ich wusste nicht, was er sich dabei gedacht hatte. So nach dem Motto: Ach das ist ja schon Jahre her, schwamm drüber? Schön, wenn das für ihn so lief, für mich allerdings nicht. Ich war nicht sein kleines Spielzeug das er nehmen und wieder weglegen konnte wie es ihm gerade passte. Ich ließ mich nicht mehr ständig rum schubsen wie früher.

"Weisst du ganz ehrlich was ich denke? Du legst dir die Sachen so zurecht wie du sie gerne hättest. Ich glaube du hast nicht eine Sekunde lang an mich gedacht in den letzten Jahren. Wenn du mich überzeugen willst dann solltest du dir was besseres einfallen lassen als eine halbherzige Entschuldigung die ausserdem nie im Leben gekommen wäre, wenn wir uns nicht rein zufällig hier getroffen hätten. Auf sowas kann ich verzichten, danke."
Das mag zwar alles ziemlich hart geklungen haben, aber nach allem was er abgezogen hatte, war ich so gar noch nett zu ihm. Ich verstand nicht was er wollte. Sollte er doch nicht auch noch so tun als würde es ihm ganz plötzlich irgendwas ausmachen, dass er mich damals aus seinem Leben schmiss. Offensichtlich war er sehr glücklich ohne mich und auch ich war nicht auf ihn angewiesen. Nicht so wie damals. Ich hatte jetzt Freunde, wenn auch nicht massenhaft.

Jetzt konnte ich wirklich nur noch lachen. war das wirklich sein ernst? Erst eine halbherzige Entschuldigung und dann machte er es sich so einfach und haute einfach ab? Ohja, da sah man ja wie wichtig man jemandem war. Aber bei ihm wunderte mich das nicht mehr. Das war einfach nur lächerlich. Er konnte sich so doch schlecht selbst ernst nehmen oder? Naja, sollte nicht mein Problem sein. Als er sich weg drehte, wandte ich mich wieder meiner Gitarre zu und begann erneut zu spielen.

Ich war schon etwas überrascht, dass er überhaupt noch mal zurück kam. Was sollte das alles überhaupt? Wir waren schon seit Jahren keine Freunde mehr, nicht mal mehr Bekannte. Was genau wollte er von mir? was wollte er damit erreichen? Selbst wenn ich ihm glaubte..und dann? Das würde auch nichts an den Tatsachen ändern.
"Schön und gut. Ich find's nur ziemlich armselig, dass du es nicht mal geschafft hast an zu rufen als meine Mutter tot war. Du hast keine Ahnung wie sich sowas anfühlt. Es ist mir egal warum du was nicht getan hast! Tatsache ist, du hast es nicht getan und das ist es was zählt. Verstehst du das nicht? Das Armband und die halbherzige Entschuldigung ändern daran nichts! Du wusstest ich hatte niemanden außer dir. Du wusstest alles und es war dir egal und wofür? Für irgendeine Olle die dich wahrscheinlich sowieso hat sitzen lassen. Hat sich wenigstens gelohnt?"
Ich schluckte, schüttelte verletzt den Kopf und wandte meinen Blick dann wieder von ihm ab. Ich wusste nicht was er von mir wollte. Warum musste ich ihn überhaupt wiedersehen? das riss nur alte Wunden wieder auf.